Der AiR 2016 heißt Reinhard Gupfinger. Er wurde 1977 in Linz, Oberösterreich, geboren. Dort studierte er Bildhauerei – transmedialer Raum und Interface Cultures an der Universität für künstlerische Gestaltung in Linz. Seine Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik, wobei die Themenschwerpunkte bei der Wahrnehmung, Dokumentation und Manipulation des öffentlichen Raums liegen. In diesem Kontext entwickelt er seit 2002 installative Umgebungen, die die Rezipienten in den Gestaltungsprozess integrieren. Reinhard Gupfingers Kunstprojekt ist ein Zeichen für Verständigung, Verständnis und Toleranz der Religionen. In seinem Werk hat er deren Klang »unter ein Dach geholt«. Zur Dokumentation ist eine Sonderveröffentlichung bei a3kultur erschienen und wir haben ein Video veröffentlicht, in dem der Künstler seine Herangehensweise und das Konzept der »Göttlichen Frequenz« erläutert.
Auch 2019 ist der Künstler wieder in unserer Stadt und verwandelt Klänge in 3D-Kunstobjekte und bringt diese im öffentlichen Raum an.
Urban-Art-Projekt: Klänge aus Augsburg verwandeln sich in 3D-Kunstobjekte. Mithilfe einer selbst entwickelten Apparatur und weiterer Prozesse transformierte Reinhard Gupfinger Tonaufnahmen zu fliesenartigen Skulpturen – sogenannten Sound Tiles. Als urbane Intervention installierte er diese Sound Tiles anschließend dort, wo er die Audioaufnahme im öffentlichen Raum gemacht hat. Er bediente sich hierfür einer gängigen Street-Art-Praxis, bei der fliesenähnliche Objekte an Häuser und Wände der Stadt geklebt werden. Die entstandenen Sound-Tiles-Interventionen bilden Klangskulpturen und Momentaufnahmen, die in der Stadt selbst wieder sichtbar werden und aufmerksam auf Klänge machen, die die Menschen in der Stadt umgeben. Stadtorte: 1 Stadtmarkt | 2 Straßenbahn Linie 2 | | Freibad Schwimmschulstraße | 4 Foyer im Übernacht Hostel | 5 Graffiti Wertachufer | 6 Wasserrad am Vogeltor | 7 Perlachturm | 8 Römermauer am Dom | 9 Moritzplatz | 10 Ballonfabrik | 11 Hauptbahnhof Jürgen Kannler im Gespräch mit dem Medienkünstler Reinhard Gupfinger. | Du konzipierst unter anderem Kunst für den öffentlichen Raum. Wie reagierenPassant*innen und Anwohner*innen, wenn du dir diese Freiheit nimmst? Die Leute fühlen sich also schneller einmal in ihrer Freiheit, Ruhe zu haben, eingeschränkt, wenn du auch mit akustischen Mitteln arbeitest? Das ist eine sehr perfide Art, sich die Lufthoheit zu sichern. Nichts gegen Vivaldi. Aber eine Sequenz aus den »Vier Jahreszeiten« in Endlosschleife hören zu müssen, grenzt an Körperverletzung. »UnSound« und dein Vorgängerprojekt »Silent House of Prayer« spielen mit Stille und Sichtbarmachung von Sounds. Ist das deine Art, auf diese Lautsprecherei zu reagieren? Warum nehmen Menschen die Beschneidung ihrer Freiheiten oftmals so klaglos in Kauf? Apropos Populisten. Welche Wirkung hatte die Regierung Kurz-Strache auf den Kunstbetrieb in Österreich? Vielleicht ist es ja ein Trost für dich, nicht ausschließlich mit Menschen arbeiten zu müssen. Du bist Teil einer Gruppe von Wissenschaftler*innen, die das Verhältnis von Graupapageien zur Musik erforschen. Wie hat diese Arbeit dein Verständnis von Freiheit beeinflusst? Freiheit ist das Leitmotiv des Hohen Friedensfests 2019. Die a3kultur Redaktion bringt sich in das Festivalprogramm ein und untersucht das Grundthema im Gespräch mit Gästen, die auf ihre Weise alle sehr speziell mit dem Thema Freiheit zu tun haben. Der Abend wird durch Zitate zum Thema Freiheit gegliedert, die auf Funktion und Handeln unserer Gäste Bezug nehmen Termin: 1. August Zeit: 20 – 21.30 Kunst ist die einzige Freiheit, die uns geblieben ist – Gottfried Helnwein Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden – Rosa Luxemburg KUNST = Mensch = Kreativität = Freiheit – Joseph Beuys So wie die Freiheit eine Voraussetzung für die Demokratie ist, so schafft mehr Demokratie erst den Raum, in dem Freiheit praktiziert werden kann – Willy Brandt Moderationsteam: Michael Bernicker und Jürgen Kannler, a3kultur Redaktion Urban-Art-Projekt zur Sichtbarmachung von Klängen im Augsburger Stadtraum. | Der Linzer Medienkünstler Reinhard Gupfinger verwandelt Klänge in 3D-Kunstobjekte und bringt diese wieder im öffentlichen Raum an. Wie sieht eigentlich der Klang des Augsburger Stadtmarktes aus? Oder das Läuten der Glocke des Mariendoms? Mit seinem Projekt »UnSound« widmet sich Gupfinger der 3D-Darstellung von Klängen aus dem öffentlichen Raum. Durch Audioaufnahmen fängt er die Charakteristik der Stadt und ihrer Menschen ein. Mit Hilfe einer selbst entwickelten Apparatur und weiteren Prozessen transformiert er diese Aufnahmen zu fliesenartigen Skulpturen – sogenannten Sound Tiles. Als urbane Intervention installiert er diese Sound Tiles anschließend dort, wo er die Audioaufnahme im öffentlichen Raum gemacht hat. Er bedient sich hierfür einer gängigen Street-Art-Praxis, bei der fliesenähnliche Objekte an Häuser und Wände der Stadt geklebt werden. Die entstandenen Sound-Tiles-Interventionen bilden Klangskulpturen und Momentaufnahmen, die in der Stadt selbst wieder sichtbar werden und aufmerksam auf Klänge machen, die die Menschen in der Stadt umgeben. Reinhard Gupfinger wird im Rahmen eines mehrwöchigen AiR-Aufenthalts eine Reihe urbaner Interventionen am Stadtmarkt, in der Straßenbahn, im Freibad Schwimmschulstraße, im Foyer des Übernachthostels, am Moritzplatz, im Skaterpark, im Fronhof und evtl. weiteren Orten durchführen.
Interview mit AiR Reinhard Gupfinger. Für a3kultur sprach mit ihm Jürgen Kannler. Am 20. September startet in der Galerie Beate Berndt die Ausstellung »Reinhard Gupfinger – Silent House of Prayer«. Du arbeitest seit dem Frühjahr als Artist in Residence in Augsburg. Welche Eindrücke der Stadt waren prägend? Der Haupteindruck kommt von meiner Arbeitsstätte, dem Kulturpark West – am auffälligsten dort ist das bunte Musiktreiben. Alle sind am Proben und Musizieren. Ich würde sagen, Augsburg ist auf jeden Fall eine Musikstadt. Auch dein AiR-Projekt hat zahlreiche Bezugspunkte zur Musik – mit klarem Schwerpunkt auf sakralen Klängen. Wie bewertest du die Erfahrungen, die du hier beim Besuch und in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Glaubensrichtungen machen konntest? Vieles davon war definitiv neu für mich. Durch die eigene Sozialisierung ist man natürlich vorgeprägt, speziell in meiner Gegend in Oberösterreich durch den Katholizismus. Aber was sich hinter den Türen von anderen Glaubensrichtungen abspielt, war für mich absolutes Neuland, auch der Besuch bei den verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen. Gerade die klanglichen Eindrücke und wie dort mit der Musik umgegangen wird – in der Moschee werden zum Beispiel keine Instrumente verwendet, aber schon die Stimmen sind extrem musikalisch. Da wurde ein klanglicher Raum erzeugt, der so eigentlich gar nicht vorhanden ist. Du hast mit Menschen zusammengearbeitet, die glauben – eine Eigenschaft, die nicht jedem gegeben ist. Wie hast du das empfunden? Die verschiedenen Richtungen haben natürlich versucht, mir ihren Glauben näherzubringen und zu erklären. Die Ernsthaftigkeit, mit der der Glaube praktiziert wird, war dabei sehr unterschiedlich: Dass man sich trifft und betet, kann durchaus Spaß machen und ungezwungen sein – anders als oft im Katholizismus, wo man sich als reuiger Sünder von seinen Sünden befreien will. Zwar hat mir oft das Sprachverständnis gefehlt, aber ich konnte beobachten, dass anders mit dem Ritual des Gebets umgegangen wurde. Bei der Church of Pentecost ist es zum Beispiel gang und gäbe, dass man während des Gebets nebenbei im Internet surft und spezielle Bibelstellen sucht oder Ähnliches. Es gibt dort Kernzeiten, wann das Gebet stattfindet, aber man kann kommen und gehen, wie man möchte. Im Kontext des Friedenfestes konnte man eine Performance von dir erleben – ein »Silent Event«, bei dem du als DJ von akustischen Aufnahmen aufgetreten bist, die bei deinen Besuchen zahlreicher Glaubenseinrichtungen entstanden sind. Die Besucher, darunter sehr viele Gläubige, die du bei den Aufnahmen kennengelernt hast, konnten diesen Sounds über Kopfhörer lauschen und dabei zwischen diversen Aufnahmen, die auf unterschiedlichen Kanälen liefen, wechseln, quasi von einem Gottesdienst in den nächsten. Es war beeindruckend, mit welchem Interesse und mit welcher Hingabe die Besucher den Aufnahmen gefolgt sind. Ja, das war auch das Konzept der Arbeit – ein bisschen mit dem »Stolz« der Beteiligten zu spielen und ihnen die Aufnahmen dann in dieser Form wieder zu präsentieren. Wir haben die Aufnahmen zuvor bewusst zurückgehalten, um dann alle beteiligten Gruppen einzuladen und die Präsentation gemeinsam zu feiern. Für mich war das schwierig einzuschätzen – wie viele Leute kommen zu solchen Events und wie werden die einzelnen Gruppen reagieren? Ich war in der Vorbereitung etwas unsicher und habe mir viele Gedanken gemacht. Auch für mich war der »Silent Event« eine Premiere. Während der Performance habe ich dann versucht, an den Gesichtern abzulesen, was in den Leuten und den unterschiedlichen Gruppen vorgeht. Nach kurzer Zeit hat man aber schon gesehen, dass es super ankommt. Ganz nebenbei hast du in diesem künstlerischen Kontext eine Plattform für Gläubige verschiedener Richtungen geschaffen, die sonst wenig Kontakt zueinander haben und die auch nicht immer freundschaftlichen Umgang miteinander pflegen. An diesem Tag hat das aber keine Rolle gespielt. Es war ja ein künstlerisches Projekt und ich war zum Thema »Frieden« eingeladen worden. Ich habe versucht, durch die Kunst einen neutralen Ort zu schaffen, an dem man sich begegnet. Das Thema waren in diesem Fall nicht die verschiedenen Religionen oder Ideologien dahinter, sondern einfach das Zusammenkommen und das Kennenlernen des musikalischen Umgangs im Gebet. Du hattest in den letzten Wochen die Möglichkeit, dich mit Kreativen aus der Region auszutauschen. Was wird da für ein Eindruck bleiben? Der Eindruck, dass Augsburg eine kreative und lebendige Szene hat – als Beispiel sei da nur einmal duophonic herausgegriffen, die für mich die Schallplattenrohlinge geschnitten haben. So ein Unternehmen ist natürlich Impulsgeber für eine ganze Szene – jemand, der Schallplatten als Einzelstücke anfertigt. Das funktioniert zwar auch online, aber so etwas in der Stadt vor Ort zu haben, ist einmalig. Mit den duophonic-Leuten gab es natürlich viele Anknüpfungspunkte, auch im technischen Bereich der Musik. Da waren wir auf einer Wellenlänge und hatten sofort den Austausch über Musik, den technischen Zugang und Transformationsprozesse. Der erste Teil deiner Arbeit hier in Augsburg war die akustische Aufnahme, der zweite die Bearbeitung derselben. Der dritte Teil des Prozesses war schließlich die Transformation in ein 3D-Objekt. War diese Prozesskette für dich von Anfang an klar? Was steckt hinter dem Wunsch der Sichtbarmachung von Klängen? Das ist eigentlich ein Prozess, den ich schon länger verfolge: den Klang bestimmter Orte als objekthafte Visualisierung sichtbar zu machen. Wie in der Fotografie schafft man eine Momentaufnahme – nur dass es in diesem Fall der Klang ist. Man archiviert diesen temporären Vorgang und bannt die Momente als Relikt in ein dreidimensionales Objekt. Du hast dich dafür entschieden, das Klangprodukt in eine Gussform zu geben und somit als reliefartige Kunst umzusetzen. War das für dich als Medienkünstler ein Schritt hin zur Bildhauerei? Du verfolgst solche interdisziplinären Ansätze ja schon länger. Meine Herangehensweise ist eigentlich immer interdisziplinär, ich habe ja auch Bildhauerei studiert. In der Medienkunst treffen sich die Gebiete. Es ist mir bei der Herangehensweise meiner Arbeit immer ganz wichtig, auch skulpturale Aspekte zu haben. In der Galerie von Beate Bernd präsentierst du bis Ende Oktober eine Ausstellung mit dem Titel »Silent House of Prayer«. Da werden die Reliefs gezeigt, aber du gibst den Besuchern auch die Möglichkeit, noch einmal in den Klangkosmos einzutauchen, den du geschaffen hast. Wie kann man sich das vorstellen? Die Überlegung dabei war, dass sich der Kreis vom Objekt wieder zurück zum Ausgangsmaterial, dem Gehörten, schließen soll. Für jede Glaubensrichtung wurde ein Relief angefertigt. Mit Audioplayern kann man sich die jeweilige Glaubensrichtung anhören – und direkt am Relief nachsehen und nachlesen. Kannst du den akustischen Hintergrund deiner Reliefs nur durchs Anschauen zuordnen? Ja, auf jeden Fall. Man kann auch als Laie relativ schnell lernen, diese Amplitudenausschläge von Lautstärken und Frequenzen nachzulesen. Besonders hilfreich dabei sind die Pausen, das sind immer erhabene oder niedrige Geraden. Man würde wahrscheinlich auch mit geschlossenen Augen durch Ertasten der Reliefs Rückschlüsse darauf ziehen können, um welches Gebet es sich handelt. Deine Arbeiten bestechen durch starke Konzeptideen. Dein AiR-Projekt liefert erstaunliche Antworten auf das Grundthema, das vonseiten der Organisatoren quasi als Arbeitsanweisung vorgegeben war, nämlich eine Auseinandersetzung mit der Utopie des Friedens zu suchen. War der künstlerische Weg, den du dazu eingeschlagen hast, bei dir schon vorgezeichnet oder hat die Idee erst in Augsburg Gestalt angenommen? Mit der Idee des Transformationsprozesses vom Klang zur Skulptur beschäftige ich mich schon länger, Teilaspekte davon kamen bereits in meiner künstlerischen Praxis vor. Aber von den Aufnahmen an diesen speziellen Orten bis hin zu den Reliefs mit der Zwischenstation eines »Silent Event« habe ich so ein Projekt noch nicht realisiert. Die charakteristische Ausarbeitung hat sich also erst hier vor Ort ergeben? Genau. In den letzten arbeitsintensiven Wochen habe ich mich dann natürlich besonders mit der Ausarbeitung der Reliefs beschäftigt. Begonnen habe ich mit den ersten Reliefs aber schon im Frühjahr und die Technik dann perfektioniert. Diese AiR-Zeit war auch eine Klammer zwischen dem Friedensfest und dem lab30-Festival: Deine erste Präsentationsphase fiel in die Zeit des Friedensfestes, die letzte ist Teil von lab 30. Was erwartet den Besucher dort im Kontext des »Silent House of Prayer«? In der Galerie gibt es wie schon erwähnt die Ausstellung mit den Reliefs und den Audioplayern zum Nachhören. Des Weiteren sind einige Abstraktionen zu sehen. Dabei habe zum Beispiel das Klangmaterial überlagert und eine bestimmte Frequenz herausgefiltert. Wie ein DJ? Hier gibt es eine Verwandtschaft, die sich nicht leugnen lässt. In der Ausstellung werden deshalb auch die Einzelschallplatten zu sehen und zu hören sein. Zudem ist noch ein Event geplant, bei dem ich die Maschine, mit der ich den Klang in Styropor schneiden kann, demonstriere und Einblick in diesen Entstehungsprozess gebe. Ist die direkte Auseinandersetzung mit dem Publikum, wie sie im Kontext eines Festivals wie dem lab30 stattfindet, für einen Medienkünstler wichtiger als etwa für einen klassischen Maler? Ja, natürlich. Ein Festival unterscheidet sich sehr stark von einer klassischen Ausstellung. Es gibt dort verschiedene Formate, in denen Ideen präsentiert und vermittelt werden können. Gerade bei diesem aktuellen Projekt mit den unterschiedlichen Glaubensrichtungen ist es mir wichtig, dass ich den Leuten den Entstehungsprozess vermittle und den Schaffensprozess veranschauliche – damit sie verstehen, dass es sich nicht um abstrakte Gebilde handelt, die nur so an der Wand hängen. Beitrag: Alois Knoller, Foto: Wolfgang Diekamp. Augsburger Allgemeine vom 22.9.2016. Töne sind flüchtig. Kaum klingen sie an, verhallen sie auch schon wieder. Sehen kann man sie sowieso nicht. Oder doch? Der Linzer Medienkünstler Reinhard Gupfinger macht Töne sichtbar und auch noch zum Betasten plastisch. Ganze Landschaften mit aufragenden Bergen, geschwungenen Hügeln und welligen Tälern stellt er aus Tonaufnahmen in Reliefs zusammen. Die Hebungen und Senkungen folgen dabei dem Frequenzgang des Gehörten. Im Falle seines Augsburger Projektes »Silent House of Prayer«, das Reinhard Gupfinger jetzt in der Galerie Beate Berndt am Fischertor ausstellt, sind es Klangkulissen aus religiösen Versammlungsstätten. Die Hörproben aus heiligen Hallen hatte Gupfinger als Artist-in-Residence im Rahmen des Friedensfestprogramms an neun Orten in der Stadt eingefangen. In zwei Wochen hatte er sämtliche Aufnahmen verschiedenartiger Zeremonien gemacht – mit manchem zufälligen Glückstreffer. Wie dem Gastkonzert eines israelischen Frauenchors in der Synagoge oder dem Men’s Day, dem Männertag, in der englischsprachigen Pfingstkirche. Überall habe er offene Türen und Herzen angetroffen. Alle Religionsgemeinschaften ließen den Künstler völlig frei und ohne Scheu gewähren. Mit einer simplen Technik wandelte Gupfinger die Töne in Reliefs um: Ein heißer Draht schnitt in Streifen aus feinporigen geschäumten Dämmplatten die Linie des Frequenzgangs. Zu einem Block zusammengefügt, machte er kompakte Abgüsse in stabilem Material. Diese sind im puren Weiß in der Galerie an der Wand und entfalten in ihrer Struktur ein reizvolles Spiel von Licht und Schatten. Von leise bis ganz laut geht der Pegel und seine Schwingungen folgen dem Rhythmus. Je gekräuselter die Wellen aussehen, desto schneller war die Tonfolge der Aufnahme. Bei den Derwischen wie bei den Buddhisten sieht man rasche Wiederholungen derselben Töne. Im Dom dagegen ging es bei Orgelspiel und den Gemeindegesängen relativ ruhig zu. Beim Orgelkonzert in St. Anna fallen die langen Melodiebögen ins Auge. Versteht man einmal, die Reliefs zu lesen, oder vergleicht sie mit der Aufnahme im Kopfhörer, beginnt die abstrakt-ästhetische Darstellung an der Galeriewand zu atmen und eine Aura zu entfalten. Als Höhepunkt hat Reinhard Gupfinger alle neun Aufnahmen bei 432 Hertz zu einem Klangbild gemittelt. »Man sagt, das sei die göttliche Frequenz. In ihr schwingen Gott und Welt in Einklang«, erklärt der Künstler. »Diese Platte ist gewissermaßen der Tisch der Religionen von Augsburg in ihrem Zusammenklang«, meint Michael Bernicker für den Verein »Hoher Weg e.V.«, der Gupfinger eingeladen hatte. Bis 29. Oktober, geöffnet Mi. und Fr. 16 – 18 Uhr, Sa. 11 – 14 Uhr und nach Vereinbarung unter Telefon 0821/519269 Wir haben Reinhard Gupfinger in seinem Atelier besucht und uns zeigen lassen, wie sein Produktionsprozess verläuft: Um den räumlichen Höreindruck realitätsnah zu reproduzieren, hat der Künstler bei den Tonaufnahmen eine binaurale Aufnahmemethode mit Styroporkopf und zwei Mikrofonen verwendet. Repräsentativ für jedes Gotteshaus entstand das Einzelstück einer transparenten Schallplatte (Dubplate). Diese wurden erstmalig bei einem »Silent Event« am 4. August 2016 nur über Kopfhörer präsentiert. Die Tonaufnahmen hat Reinhard am Computer mit einer eigens entwickelten Software analysiert und entsprechende Frequenzen und Lautstärken für den Schneideprozess angepasst und aufbereitet. Ein spezielles Heißdraht-Schneidegerät ermöglichte eine Echtzeitübertragung der Tonspuren in Styropor und ähnliche Materialien. Je lauter die Klänge, desto höher die geschnittene Amplitude. Auf diese Weise hat der Künstler ganze Tonaufnahmen in Styropor geschnitten und daraus einmalige Gussformen angefertigt. Es erfolgte der Abguss mit keramischem Gießpulver. Abschließend wurden die Styroporstreifen aus der Form entfernt und das Relief wurde gesäubert. Als Höhepunkt seiner Arbeit in Augsburg präsentiert Reinhard Gupfinger vom 21. September bis 29. Oktober 2016 seine Sound-Reliefs. Dabei handelt es sich um dreidimensionale Visualisierungen von Tonaufnahmen von Zeremonien, Gottesdiensten, Andachten und Konzerten, die in verschiedenen Glaubensgemeinschaften entstanden sind. Vernissage ist am 20. September um 19 Uhr in der Galerie Beate Berndt in der Thommstr. 28. Einführung: Öffnungzeiten: Dieses Kunstprojekt wird unterstützt von: Bezirk Schwaben, Friedensstädte Augsburg und Linz, Universität Augsburg, Regio Augsburg Tourismus GmbH, a3kultur, Kulturpark West gGmbH, Stadtsparkasse Augsburg, Duophonic, Galerie Beate Berndt. Reinhard Gupfinger besuchte mit dem Mikrofon religiöse Zeremonien. Er wird sie in Reliefs verwandeln. Die Aleviten sind begeistert: Eine so schöne Stimme wie die des Imams der Kammgarn-Moschee haben sie im islamischen Spektrum noch nie gehört. Hingerissen lauschen sie der Aufnahme aus der Selimiye Moschee. Andere Zuhörer im Ballettsaal im Kulturhaus Abraxas gehen bei den groovenden Gospel-Rhythmen der Church of Pentecost in Stadtbergen wiegend mit. Der junge Verein »Hoher Weg« hat zur Hörprobe aus heiligen Hallen geladen, die Reinhard Gupfinger, ihr Artist-in-Residence, an neun religiösen Versammlungsorten mit seinem Mikrofon eingefangen hat. Schon die Zusammenstellung der unterschiedlichen Klangbilder zu einer mehrkanaligen Collage ist ein Erlebnis für sich. Wann könnte man sonst vom buddhistischen Sprechgesang der Sutren direkt umschalten zum inbrünstig gesungenen katholischen Marienlied oder zum muslimischen Gebetsruf »Alahu akbar« in der typisch orientalischen kehligen Melodielinie? »Silent House of Prayer« nennt der Linzer Medienkünstler Gupfinger sein Projekt, die Klänge der Zeremonien von Gebetsorten ganz verschiedener Religionen und Konfessionen zu konservieren. Der Gottesglaube sei immer wieder auch ein Thema seiner künstlerischen Arbeit. »Aber in diesem breiten Spektrum war ich noch nie damit konfrontiert«, sagt Reinhard Gupfinger im Interview mit Jürgen Kannler, Redaktionschef der Zeitschrift a3kultur, bei dem Werkstattgespräch im Rahmen des Programms zum Augsburger Hohen Friedensfest. In zwei Wochen hat er sämtliche Aufnahmen gemacht – mit manchem zufälligen Glückstreffer. Wie dem Gastkonzert eines israelischen Frauenchors in der Augsburger Synagoge oder dem Men’s Day, dem Männertag, in der Pfingstkirche. Überall habe man offene Türen und offene Herzen angetroffen. Alle Religionsgemeinschaften ließen den Künstler völlig frei und ohne Scheu gewähren – und neugierig darauf, zu welchem Ergebnis das Experiment führen würde. Denn Reinhard Gupfinger hat noch eine weitere Bearbeitungsstufe dieser Aufnahmen vor. Er wird sie in Reliefs verwandeln. Die Technik dafür sieht ziemlich simpel aus: Ein heißer Draht schneidet in Streifen aus feinporigen, geschäumten Dämmplatten das Auf und Ab des digitalen Frequenzganges. Aus den Streifen, zu einem Block zusammengefügt, wird Gupfinger dann Abgüsse des Klangbilds der einzelnen religiösen Orte anfertigen. Diese ästhetischen Abstraktionen wird im September dann die Galerie Beate Berndt am Fischertor ausstellen. Zu verdanken ist das Projekt dem Verein »Hoher Weg« und seiner Initiative »Welcome in der Friedensstadt«. Aus Beiträgen, Fördergeldern von Stadt Augsburg und Bezirk Schwaben und nicht zuletzt aus privaten Mitteln haben Jürgen Kannler und Michael Bernicker die Einladung eines Artist-in-Residence aufgelegt. Den Linzer Medienkünstler Gupfinger schlug die Augsburger Popkulturbeauftragte Barbara Friedrichs dem Verein vor. Der Artist in Residence Reinhard Gupfinger aus Linz erreicht mit seiner Medienkunst das Außergewöhnliche: Muslimische und christliche Glaubensgemeinschaften bilden eine soziale Skulptur. Wir feiern das Hohe Friedensfest in Augsburg jedes Jahr als Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Vielfalt in dieser Stadt. Die Gleichberechtigung der Religionen ist dabei von besonderer Bedeutung. Der »Silent Event« des Medienkünstlers Reinhard Gupfinger, der gestern im Kulturhaus Abraxas statt fand, war ein wesentlicher Beitrag, um diesem hohen Gut ein Stück näher zu kommen. Islamische und christliche Glaubensgemeinschaften waren für ein paar Stunden in sehr gleichberechtigter Form präsent. Über 60 Menschen hatten sich versammelt, um die »Sounds des Friedens« zu hören: Sunniten von der Kammgarnmoschee mit ihrem Imam Faruk Aydin, Aleviten mit dem Vorsitzenden Orhan Aykac, Sufisten der Ussaki-Gemeinschaft mit dem Vorstand Ali Schmidt, Christen der Church of Pentecost mit dem Prediger Osahene Boateng sowie Protestanten und Katholiken. Wie war das möglich? Reinhard Gupfinger hat zuvor in neun Glaubenseinrichtungen hochwertige Tonaufnahmen von Gebeten, Konzerten, Messen und Zeremonien gemacht, daraus jeweils acht Minuten extrahiert und jeden einzelnen «Sound des Friedens« auf eine Schallplatte pressen lassen. Diese Unikate hat er bei seiner »Silent Disco« nach dem Zufallsprinzip aufgelegt. »Silent« heißt das Format deshalb, weil alle Gäste Kopfhörer tragen. Ganz individuell konnten die Zuhörer*innen den Klängen des Friedens lauschen und dabei zwischen drei verschiedenen Wiedergabekanälen auswählen. Diese ungewöhnliche Art der Begegnung erzeugte zu Beginn zunächst etwas Unsicherheit, dann Erstaunen und später ein beträchtliches Maß an Faszination. Ganz selbstbewusst können der Künstler und auch die Initiatoren des Artist-in-Resicence-Projektes »Welcome in der Friedensstadt« behaupten: Es ist gelungen, auf neutralem Boden – dem Boden der Kunst – sich zu treffen und zusammen eine soziale Plastik zu bilden, die sehr viel mit Frieden zu tun hat. Beitrag: Susanne Thoma, Foto: Chris MenkelUnSound CityMap
Akustische Interventionen
Das ist stark vom jeweiligen Projekt abhängig. Solange mir nicht in irgendeiner Form Sachbeschädigung oder Ruhestörung vorgeworfen werden kann, stehen die Menschen meiner Arbeit grundsätzlich positiv gegenüber. Es sind ja auch eher subtile Eingriffe in den Raum, die aufgrund der oft kleinen Formate bei den meisten Passant*innen kaum Beachtung finden.
Sound ist immer speziell. Ich will generell niemanden nerven und gehe mit meinen Anliegen auf gewisse Weise erst einmal sehr vorsichtig, dann aber auch bestimmt um. Zum Beispiel an Orten, an denen Sound bereits vorhanden ist, um damit gegen Obdachlose oder Jugendliche vorzugehen.
Auf alle Fälle. In Hamburg gab es eine Art Pilotprojekt, das unter dem Namen »Vivaldi against Junkies« für Furore sorgte. Andere Städte haben die Idee aufgegriffen und in ihrem Sinn »verfeinert«, wenn man so will. So auch Graz. Dort gibt es ein Tunnelsystem von der Altstadt zum Burgberg. Ein sehr beliebter Ort. Verschiedenste Jugendgruppen hatten dort über Generationen ihre Treffpunkte. Öffentliche, konsumfreie Räume wie diese Tunnels, die sich dazu recht schwer überwachen lassen, sind beliebte Aktionsfelder für diese Soundattacken. Also habe ich mich in Graz ins Soundsystem gehackt und die Files besucherfreundlicher gestaltet. So rief zum Beispiel alle paar Minuten ein Kuckuck. Das war im Krieg das Signal für die Grazer Bürger*innen, bei Luftangriffen in die Tunnels zu fliehen.
Einzelne Unternehmen greifen sogar zu noch härteren Klangwaffen, sogenannten Moskitos. Dabei werden Jugendliche mit einem extrem lauten Signal in einer speziellen Frequenz, das Menschen ausschließlich bis etwa 23 Jahren hören können, zum Beispiel von Geschäftszugängen vertrieben. Ein Trend aus England, der auch in Österreich schon erste Nachahmer gefunden hat. Dagegen muss man vorgehen.
Auf jeden Fall eine meiner Möglichkeiten. Die Idee, Klang zu transformieren, zum Objekt zu machen und herauszufinden, wie das im öffentlichen Raum funktioniert, finde ich schön länger sehr spannend. Augsburg ist dafür so etwas wie mein Freiluftlabor.
Umfragen zeigen, dass bald mehr Menschen dazu bereit wären, lieber auf ihr Wahlrecht zu verzichten als auf ihr Smartphone. Das sagt einiges. Menschen werden von dieser trügerischen Form von Freiheit wie in einem Kokon eingesponnen. Es geht ihnen um die Optionen auf ein paar Sekunden schnellen Ruhms in den Netzwerken, dem sie alles unterordnen. Wer so gefangen ist, empfindet oft auch Fragstellungen und Themen im politischen Diskurs als zu abstrakt. Teilen der Politik kommt diese Entwicklung sehr entgegen. Das ist international zu beobachten. Die Verschärfung und der Ausbau der Überwachungssysteme wachsen rasant. Angstmache, gepaart mit dem alltäglichen Sicherheitswahnsinn, gehört zum Standardrepertoire nicht nur der ganz rechten Populisten. Das in China eingesetzte digitale Social-Ranking-System stößt bei vielen Menschen nicht nur auf Ablehnung.
Die Stimmung war allgemein sehr angespannt. Die Spaltung der Gesellschaft ist ein internationales Phänomen. So etwas spielgelt sich auch im Kunstbetrieb wider. Es gibt eine gewisse kritische Masse, die unter den Kulturmacher*innen vielleicht etwas höher einzuschätzen ist als in anderen Teilen der Bevölkerung. Es gibt sehr viele Stillhalter. Sie schweigen aus Angst, selbst Opfer zu werden. Aus Angst, dass ihre Projekte zum Beispiel nicht mehr gefördert werden oder sie sonst Nachteile erfahren, wenn sie sich politisch engagieren. Und es gibt einen, wenn auch kleineren Teil der Fürsprecher. Ein gern bemühtes Argumentationsmuster von ihnen ist, dass die Populisten nett im privaten Umgang seien.
Das ist ein wirklich spannendes Projekt, das sich mit der Idee beschäftigt, die Lebensbedingungen von Tieren in Gefangenschaft zu verbessern. Vereinfacht gesagt geht es darum, die Lebensumgebung der Papageien zu bereichern. Und ich bin für den musikalischen Teil verantwortlich, wenn man so will. Wir entwickeln zum Beispiel Gerätschaften, mit denen die Tiere ohne Zwang selber Sound erzeugen können. Das funktioniert ganz gut. Sie wippen ja auch im Rhythmus oder imitieren Sprache oder Geräusche. Sie hören etwa ein Polizeiauto fahren und machen die Sirene dazu. Oder sie f lüstern dir mit deiner eigenen Stimme ins Ohr. Das ist schon ganz schön beeindruckend. Dieses Können machte sie auch als Entertainer beliebt.
Wildtiere gehören nicht in Gefangenschaft. Es gibt aber, wie bei den Graupapageien, oft keine Möglichkeit, sie auszuwildern. Der relativ neue Ansatz der Human-Animal Interaction wird uns helfen, die Beziehung zwischen Mensch und Tier zu verbessern. Sie bietet die Chance, diese Lebewesen besser kennenzulernen und dabei von ihnen zu lernen. Vielleicht ist damit ja auch ein kleiner Gewinn für das Zusammenleben zwischen Mensch und Mensch verbunden. Zur Freiheit
Ort: Moritzkirche/Taubenschlag
Eintritt frei
Thomas Elsen, Leiter H2 – Zentrum für Gegenwartskunst in Augsburg
Arbeitet immer wieder mit Künstler*innen zusammen, in deren Heimatländer freiheitliche Grundwerte auf niedrigem Niveau pendeln. Wie unterscheiden sich diese Arbeiten von Künstler*innen aus Ländern mit offeneren Gesellschaften?
Eva Weber, Bürgermeisterin in Augsburg, OB Kandidatin 2020
Als Vertreterin der Stadt ist sie zuweilen gezwungen auch denen eine Forum einzuräumen, deren Positionen für sie selbst und die Mehrheit der Bürger*innen nur schwer zu ertragen sind – zum Beispiel rechte Populisten – wie geht sie für sich damit um?
Reinhard Gupfinger, Medienkünstler aus Österreich, präsentiert im Rahmen des Friedensfestes als Artist in Residence sein Projekt UnSound an diversen Stellen im öffentlichen Raum. Wie reagieren die Menschen auf seine Aktionen direkt im Lebensfeld aller, dem öffentlichen Stadtraum?
Bruno Marcon, Soziologe, Bürgeraktivist, OB Kandidat 2020
Mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren stoppte er die Fusion von swa und Erdgas SchwabenUnSound
Definitiv neu
Heilige Töne machen sich sichtbar
Die Arbeitsschritte von »Silent House of Prayer«
Silent House of Prayer – Ausstellung
Dr. Thomas Elsen, Kunstsammlungen und Museen Augsburg, H2 Zentrum für Gegenwartskunst
Barbara Friedrichs, Festivalleitung lab30, Popkulturbeauftragte
Mi und Fr 16-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr, und nach Vereinbarung (Tel: 0821 519269)Die Klänge des Gebetes
Beitrag: Alois Knoller, Foto: Wolfgang Diekamp. Augsburger Allgemeine vom 6.8.2016.Soziale Plastik der Religionen