Reinhard Gupfinger besuchte mit dem Mikrofon religiöse Zeremonien. Er wird sie in Reliefs verwandeln.
Beitrag: Alois Knoller, Foto: Wolfgang Diekamp. Augsburger Allgemeine vom 6.8.2016.
Die Aleviten sind begeistert: Eine so schöne Stimme wie die des Imams der Kammgarn-Moschee haben sie im islamischen Spektrum noch nie gehört. Hingerissen lauschen sie der Aufnahme aus der Selimiye Moschee. Andere Zuhörer im Ballettsaal im Kulturhaus Abraxas gehen bei den groovenden Gospel-Rhythmen der Church of Pentecost in Stadtbergen wiegend mit. Der junge Verein »Hoher Weg« hat zur Hörprobe aus heiligen Hallen geladen, die Reinhard Gupfinger, ihr Artist-in-Residence, an neun religiösen Versammlungsorten mit seinem Mikrofon eingefangen hat.
Schon die Zusammenstellung der unterschiedlichen Klangbilder zu einer mehrkanaligen Collage ist ein Erlebnis für sich. Wann könnte man sonst vom buddhistischen Sprechgesang der Sutren direkt umschalten zum inbrünstig gesungenen katholischen Marienlied oder zum muslimischen Gebetsruf »Alahu akbar« in der typisch orientalischen kehligen Melodielinie? »Silent House of Prayer« nennt der Linzer Medienkünstler Gupfinger sein Projekt, die Klänge der Zeremonien von Gebetsorten ganz verschiedener Religionen und Konfessionen zu konservieren.
Der Gottesglaube sei immer wieder auch ein Thema seiner künstlerischen Arbeit. »Aber in diesem breiten Spektrum war ich noch nie damit konfrontiert«, sagt Reinhard Gupfinger im Interview mit Jürgen Kannler, Redaktionschef der Zeitschrift a3kultur, bei dem Werkstattgespräch im Rahmen des Programms zum Augsburger Hohen Friedensfest. In zwei Wochen hat er sämtliche Aufnahmen gemacht – mit manchem zufälligen Glückstreffer. Wie dem Gastkonzert eines israelischen Frauenchors in der Augsburger Synagoge oder dem Men’s Day, dem Männertag, in der Pfingstkirche. Überall habe man offene Türen und offene Herzen angetroffen. Alle Religionsgemeinschaften ließen den Künstler völlig frei und ohne Scheu gewähren – und neugierig darauf, zu welchem Ergebnis das Experiment führen würde.
Denn Reinhard Gupfinger hat noch eine weitere Bearbeitungsstufe dieser Aufnahmen vor. Er wird sie in Reliefs verwandeln. Die Technik dafür sieht ziemlich simpel aus: Ein heißer Draht schneidet in Streifen aus feinporigen, geschäumten Dämmplatten das Auf und Ab des digitalen Frequenzganges. Aus den Streifen, zu einem Block zusammengefügt, wird Gupfinger dann Abgüsse des Klangbilds der einzelnen religiösen Orte anfertigen. Diese ästhetischen Abstraktionen wird im September dann die Galerie Beate Berndt am Fischertor ausstellen.
Zu verdanken ist das Projekt dem Verein »Hoher Weg« und seiner Initiative »Welcome in der Friedensstadt«. Aus Beiträgen, Fördergeldern von Stadt Augsburg und Bezirk Schwaben und nicht zuletzt aus privaten Mitteln haben Jürgen Kannler und Michael Bernicker die Einladung eines Artist-in-Residence aufgelegt. Den Linzer Medienkünstler Gupfinger schlug die Augsburger Popkulturbeauftragte Barbara Friedrichs dem Verein vor.