Beitrag: Alois Knoller, Foto: Wolfgang Diekamp. Augsburger Allgemeine vom 22.9.2016.
Töne sind flüchtig. Kaum klingen sie an, verhallen sie auch schon wieder. Sehen kann man sie sowieso nicht. Oder doch? Der Linzer Medienkünstler Reinhard Gupfinger macht Töne sichtbar und auch noch zum Betasten plastisch. Ganze Landschaften mit aufragenden Bergen, geschwungenen Hügeln und welligen Tälern stellt er aus Tonaufnahmen in Reliefs zusammen. Die Hebungen und Senkungen folgen dabei dem Frequenzgang des Gehörten. Im Falle seines Augsburger Projektes »Silent House of Prayer«, das Reinhard Gupfinger jetzt in der Galerie Beate Berndt am Fischertor ausstellt, sind es Klangkulissen aus religiösen Versammlungsstätten.
Die Hörproben aus heiligen Hallen hatte Gupfinger als Artist-in-Residence im Rahmen des Friedensfestprogramms an neun Orten in der Stadt eingefangen. In zwei Wochen hatte er sämtliche Aufnahmen verschiedenartiger Zeremonien gemacht – mit manchem zufälligen Glückstreffer. Wie dem Gastkonzert eines israelischen Frauenchors in der Synagoge oder dem Men’s Day, dem Männertag, in der englischsprachigen Pfingstkirche. Überall habe er offene Türen und Herzen angetroffen. Alle Religionsgemeinschaften ließen den Künstler völlig frei und ohne Scheu gewähren.
Mit einer simplen Technik wandelte Gupfinger die Töne in Reliefs um: Ein heißer Draht schnitt in Streifen aus feinporigen geschäumten Dämmplatten die Linie des Frequenzgangs. Zu einem Block zusammengefügt, machte er kompakte Abgüsse in stabilem Material. Diese sind im puren Weiß in der Galerie an der Wand und entfalten in ihrer Struktur ein reizvolles Spiel von Licht und Schatten. Von leise bis ganz laut geht der Pegel und seine Schwingungen folgen dem Rhythmus. Je gekräuselter die Wellen aussehen, desto schneller war die Tonfolge der Aufnahme. Bei den Derwischen wie bei den Buddhisten sieht man rasche Wiederholungen derselben Töne. Im Dom dagegen ging es bei Orgelspiel und den Gemeindegesängen relativ ruhig zu. Beim Orgelkonzert in St. Anna fallen die langen Melodiebögen ins Auge.
Versteht man einmal, die Reliefs zu lesen, oder vergleicht sie mit der Aufnahme im Kopfhörer, beginnt die abstrakt-ästhetische Darstellung an der Galeriewand zu atmen und eine Aura zu entfalten. Als Höhepunkt hat Reinhard Gupfinger alle neun Aufnahmen bei 432 Hertz zu einem Klangbild gemittelt. »Man sagt, das sei die göttliche Frequenz. In ihr schwingen Gott und Welt in Einklang«, erklärt der Künstler. »Diese Platte ist gewissermaßen der Tisch der Religionen von Augsburg in ihrem Zusammenklang«, meint Michael Bernicker für den Verein »Hoher Weg e.V.«, der Gupfinger eingeladen hatte.
Bis 29. Oktober, geöffnet Mi. und Fr. 16 – 18 Uhr, Sa. 11 – 14 Uhr und nach Vereinbarung unter Telefon 0821/519269