Tonaufnahmen in Gotteshäusern. Erste Station von AiR Reinhard Gupfinger im Buddhistischen Zentrum in Dinkelscherben.
Ankunft in Dinkelscherben. Gespannt nähern wir uns dem Zen-Tempel Bodaisan-Shoboji in der ländlichen Umgebung am Rande der Westlichen Wälder an einem Hang gelegen. Am Eingang ein großer Infokasten, der über die Zeiten der offenen Gebetsstunden und Seminarangebote informiert. Hier wird der Medienkünstler Reinhard Gupfinger die ersten Tonaufnahmen für sein Soundprojekt machen. Wir klingeln und Toshiko Miyazaki öffnet uns. Sie ist Chado (Teeweg)- und Kado(Blumen)-Meisterin und Ehefrau des Zentrumsleiters Dorin Genpo. Um das Haus herum geleitet sie uns zum Gartenhaus. Hier erwartet uns ein Schüler des Tempels. Wir ziehen die Schuhe und Socken aus und tragen Reinhards Aufnahmeequipment in das Dachgeschoss. Hier begrüßt uns auch der Meister Dorin Genpo sehr herzlich. Der Raum ist mit Tatamimatten und Sitzkissen ausgelegt. Im Zentrum steht natürlich ein großer Buddha. Durch ihn wurde der Buddhismus vor etwas mehr als 2500 Jahren in Indien begründet. Von dort gelangte er über China und Korea nach Japan. Im Dinkelscherbener Zentrum beruft man sich auch auf seinen Nachfolger Rinzai Gigen Zenji (gest. 866). Rinzai steht für dynamisches, kraftvolles Zen, das die Menschen dazu anhält, Erleuchtung zu erfahren und diese im Leben zu verwirklichen. Auf dem Altar stehen zur Verehrung Buddhas Tee, Räucherwaren, Kerzen und Blumen.
Als Mitglied des Runden Tisches der Religionen ist uns Zenmeister Genpo sehr bekannt. Auf seiner religiösen Suche kam er in jungen Jahren mit dem Buddhismus in Berührung. Es folgten Asienreisen und 1977 begann er mit der Zen-Praxis. 1990 wurde er in Japan zum Mönch geweiht. 1992 kam er mit einer Lehrerlaubnis nach Deutschland zurück und gründete den Bodaisan Shoboji Zen-Tempel. Seither gibt er »authentisches« Rinzai-Zen in einer für »Westler« entsprechenden Form weiter. Wir erfahren von ihm viele Details über die Lebensstationen Buddhas. Sie sind auf 17 kostbaren holzgeschnitzten Wandbildern dargestellt, die aus einem aufgegebenen Tempel in Burma stammen. Wir entdecken Kriegselefanten und erfahren, dass auch Götter als vergängliche Wesen angesehen werden. Schließlich ist der Buddhismus keine Konfession, sondern eine Lehre.
Die Aufnahmetechnik steht. Dabei ist Reinhard nicht der ideale Sound wichtig, sondern der Eindruck, der beim menschlichen Gehör entsteht. Ein Styroporkopf mit zwei Mikros auf den Ohren wartet ebenso wie wir auf das, was jetzt gleich kommt. Nun startet die Gebetszeremonie. Der Meister rezitiert Sutren in einem rythmischen Sprechgesang auf Sinojapanisch. Besondere Akzente setzt er dabei mit Klangschalen und Trommel. Der Schüler unterstützt dieses rituelle Sprechen. Die Sutren werden einstimmig gesungen, meistens nur in einer Tonhöhe. Buddhisten beten nicht zu Buddha. Aber sie sprechen Bittgebete für die Menschen. Darin wünschen sie sich, dass die Menschen von ihrem Leid befreit werden, keine schlechten Gedanken und Gefühle haben, klar denken und zur Erleuchtung gelangen können. Das Rezitieren geschieht in einem hohen Tempo und mit grosser Lautstärke. Das weckt unsere Lebensgeister. Es fordert volle Konzentration vom Meister, der den Rhytmus halten möchte. »Es hilft, mit dem ganzern Körper zu singen«, sagt er, »dann hat es auch Wirkung.« Wer sich – auch als Zuhörer*in – darauf einlässt, kann plötzlich völlig in der Gegenwart sein. In diesem Sinne ist das Rezitieren der Lehrtexte auch eine Art der Meditation. Reinhard ist von den Tonaufnahmen begeistert. Er wird einen Teil davon in Form eines »Silent Events« erlebbar machen. Zuhörerer*innen werden über Kopfhörer mit verschiedenen Kanälen den Klängen in Gotteshäusern lauschen können. Dazu lädt er am 4. August in das Kulturhaus Abraxas ein.
Der letzte Ton der Klangschale schwingt durch den Raum und hallt noch lange nach. Er geht über in das Zwitschern von Vögel im Garten. Die »Wirklichkeit« hat uns wieder. Wir verlassen diesen beschaulichen Berg der Erleuchtung.
http://www.zen-meditation-dinkelscherben.de
Beitrag von Susanne Thoma. Fotos von Martin Kohnle.