Ein Interview von Jürgen Kannler
a3kultur: Du bist in der Ars-Electronica-Stadt Linz aufgewachsen. Findet man dort eigentlich leichter Zugang zur Medienkunst als anderswo?
Reinhard Gupfinger: Ich bin in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren mit der Ars Electronica ja regelrecht sozialisiert worden. Für mich war Medienkunst immer Teil des Linzer Kulturgeschehens. Ich erinnere mich an einige interaktive Events auf dem Hauptplatz, die einfach total viel Spaß gemacht haben. Natürlich senken solche Veranstaltungen auf Dauer die Hemmschwelle, die manche Menschen gegenüber Medienkunst vielleicht empfinden. In Linz gibt es in diesem Bereich sicher keine großen Berührungsängste mehr. Insofern ist dieses Umfeld mit dem Ars Electronica Center und dem Festival natürlich sehr fruchtbar für angehende Medienkünstler. Gleichzeitig ist es für regionale Künstler nicht ganz einfach, zu diesem international angelegten Festival geladen zu werden. Gerade jüngere Kollegen finden sich dort schnell als technische Aushilfskraft wieder und eben nicht auf der Teilnehmerliste.
Du bist ein international agierender Künstler und hast deinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt nach wie vor in Linz. Mit welchen Themen befasst du dich zurzeit?
Mein Hauptanliegen ist das Produzieren von Kunst für den öffentlichen Raum und Ausstellungshäuser oder bei Medienkunstfestivals. Ein anderer Aspekt ist die Forschung. Ich interessiere mich für die Entwicklung von neuen musikalischen Instrumenten und Schnittstellen. Aktuell bin ich an einem Forschungsprojekt namens »metamusic« beteiligt, bei dem es um die Entwicklung von interaktiven Klanginstallationen speziell für Graupapageien in zoologischen Gärten geht.
Ich glaube, ich kenne das Projekt. Es ist eingebunden in das Konzept »Höhenrausch«, bei dem Besucher quasi über die Dächer von Linz spazieren und dabei auf unterschiedliche Weise Vögeln näherkommen. Wirklich sehr spannend. Aber wozu braucht der Graupapagei ein Klavier?
Durch diese wunderbaren und hochintelligenten Tiere lernen wir, wie diese Vögel auf akustische Reize reagieren oder aktiv Klänge mit speziell an ihre Bedürfnisse angepassten Instrumenten produzieren und somit eine neue Kommunikationseben zwischen den Tieren, aber auch zwischen Tier und Mensch öffnen. Die haben richtig Spaß dabei und geben auch Konzerte. Diese Forschungsarbeit ist eine Kooperation von einem Künstlerteam, das sich »alien productions« nennt, der Arge Papageienschutz und einem Forschungsteam der Linzer Kunstuniversität. Ich werde meine Doktorarbeit darüber schreiben. Eigentlich ist das Papageienprojekt in Wien verortet. Dass so ein innovatives Projekt zuerst in Linz und nicht in Wien präsentiert wird, steht natürlich für Linz. Vielleicht habe ich aus diesem Grund meinen Lebensmittelpunkt hier. Bei vielen Projekten spielen aber andere Städte und Länder eine wichtige Rolle.
Arbeitest du in deinem Wohnumfeld oder hast du Wohnung und Atelier getrennt?
Ich trenne Wohnen und Arbeiten gerne. Im Künstlerhaus Salzamt habe ich ein Atelier, an der Kunstuniversität einen Forschungsplatz und im Haus meiner Eltern ein Tonstudio. Das ist in einem kleinen Ort etwas außerhalb von Linz.
Welche Infrastruktur oder welches Umfeld ist für dich ein gutes Arbeitsumfeld? Ich meine das jetzt sowohl auf der technischen als auch auf der atmosphärischen Ebene?
Ich brauche für meine Arbeit natürlich einen belastbaren Internetzugang. Das ist wohl für die meisten Medienkünstler maßgeblich. Auch und weil ich stark international arbeite, ist ein ständiger Austausch extrem wichtig. Aber eben nicht nur auf digitaler Ebene, sondern auch analog, wenn man so will. Für mich wäre es wirklich schwierig, allein ein Studio in irgendeinem Wohnhaus zu haben, wo ich nicht permanent im Austausch und Kontakt mit anderen Leuten stehen könnte. Deswegen schätze ich die Situation im Atelierhaus Salzamt. Da gibt es einen kontinuierlichen Wechsel, weil es hier eben auch Platz für Artists in Residence gibt.
Dein Tonstudio liegt auf dem Land. Suchst du dort auch Ruhe?
Wenn meine Ateliertür zu ist, zeigt das allen, dass ich nun ungestört arbeiten möchte. Das Ruhefinden funktioniert auf dem Land, wo ich ein bis zwei Tage in der Woche im Studio verbringe, natürlich etwas besser als in der Stadt. Ich kann dort meine Aufnahmen und Sounds bearbeiten und im nächsten Schritt mit verschiedenen Maschinen weiterverarbeiten. Dort befinden sich auch mein Maschinenpool und mein Lager, und es ist immer auch ein guter Ort zum Entspannen.
Beim Artist-in-Residence-Projekt »Welcome in der Friedensstadt« wirst du nächstes Jahr mit diversen Glaubensgemeinschaften aus unserer Region zusammenarbeiten, viel mehr soll über den Inhalt momentan noch nicht verraten werden, wenn ich dich recht verstanden habe. Dennoch, war Glaube bisher ein Thema in deiner Arbeit?
Es hat bereits verschiedene Anknüpfungspunkte gegeben, zum Teil auch recht kritische Ansätze. Es gab zum Beispiel das Projekt zum Thema Demutspfeife, ausgehend von Mythen rund um Kirchenorgeln, in die überdimensionale Orgelpfeifen eingebaut waren, um die Gläubigen über den Klang demütig zu stimmen. Ich wollte mich mit diesem Phänomen auseinandersetzen und prüfen, wie Töne aus einer so überdimensionalen Pfeife auf Menschen wirken.
Du bist viel unterwegs und arbeitest immer wieder, oft auch parallel an verschiedenen internationalen Projekten. Fallen dir die Ortswechsel leicht?
Ein bis zwei Artist-in-Residence-Projekte im Jahr sind fast obligatorisch und tun mir ganz gut. Ich bin gerne unterwegs, wenn auch nicht mehr unbedingt auf Tour oder Roadtrips wie früher mit der Band. Mittlerweile schätze ich es, längere Zeit an einem Ort anzukommen, dort das neue Lebensumfeld kennenzulernen und nicht nur als Tourist die Stadt zu erkunden, sondern direkt in das Leben einzutauchen. Besonderen Spaß hatte ich 2012 in Barcelona und 2010, da war ich in Japan. Das war wirklich eine sehr prägende und tolle Zeit für mich. Ich komme aber auch ganz gerne wieder zurück.
Reisen kann teuer sein. Womit verdienen Medienkünstler eigentlich Geld? Handliche Ware zu verkaufen wie deine Künstlerkollegen von der Malerei, geht bei dir ja schlecht.
Das stimmt. Ankäufe von Medienkunst über den Galerienmarkt sind eher selten. Allerdings gibt es durchaus Ankäufe durch die öffentliche Hand und verschiede Projektförderungskonzepte, mittels derer man sich dann über einen längeren Zeitraum mit einem Thema auseinandersetzen kann. Meine Arbeiten finden in den seltensten Fällen einen Käufer, sind aber oft auch sehr temporär, zum Beispiel weil es ortsspezifische Arbeiten für ein Festival sind. Und wenn das Festival vorbei ist, dann verschwindet auch die Arbeit.
Ist es für dich ein Problem, neben der Kunst auch als Forscher oder Kreativdienstleister zu arbeiten?
Nein, ich finde das recht abwechslungsreich. Ich glaube, zu jeder künstlerischen Produktion zählt auch das Experimentieren und Erproben von Materialien und Techniken. Man tauscht diese Erkenntnisse mit Kollegen und dem Publikum. Insofern ist jeder Künstler auch ein Forscher. Das ist mein Ansatz. Ich empfinde dieses breite Arbeitsspektrum als spannend und interessant und habe kein Problem, zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik hin und her zu wechseln.
Bei unseren Vorgesprächen warst du ja schon in Augsburg und konntest unter anderem auch den Kulturpark West auf dem Gelände der alten Reesekaserne besuchen. Hier wird 2016 ein Teil deines Arbeitsumfelds sein. Gefällt dir der Ort?
Den Ort finde ich wirklich interessant und wichtig. So ein großes Haus mit so vielen Künstlern ist natürlich immer aufregend, auch wenn man dort nur temporär ein Atelier hat. In Linz gibt es ein ähnliches Areal, die ehemalige Tabakfabrik, von dem wir als junge Künstler immer gehofft hatten, dass dieses Projekt ähnlich umgesetzt wird, also kostengünstige Atelierräume auch für weniger etablierte Künstler geschaffen werden. Aber das hat leider nie richtig funktioniert. Heute hat die Stadt sehr stark ihre Hand drauf und vergibt die Flächen eher an Firmen aus der Kreativwirtschaft.
Das Problem kennen wir in Augsburg auch. Danke für das Gespräch und »Welcome in der Friedensstadt«.